Männer und Frauen trauern anders – warum das so ist und wie Paare in Verbindung bleiben können
Trauer trifft uns alle – aber sie zeigt sich bei jedem Menschen anders. Nach einem Schwangerschaftsverlust, erleben viele Paare, dass sie ganz unterschiedlich mit dem Schmerz umgehen. Das kann verunsichern und manchmal auch zu Missverständnissen führen. Doch gerade diese Unterschiede sind oft Ausdruck der jeweiligen Persönlichkeit und der Art, wie Männer und Frauen gelernt haben, mit Emotionen umzugehen.
Trauer ist individuell – kein linearer Prozess
Trauer verläuft nicht in festen Phasen, sondern in Wellen. Gefühle wie Schmerz, Wut, Schuld, Erleichterung oder sogar Hoffnung wechseln sich ab.
Psychologisch gesehen ist Trauer ein Prozess der Anpassung – der Versuch, mit einer neuen Realität zu leben, in der etwas Kostbares fehlt.
Unabhängig vom Geschlecht gibt es typische Reaktionsmuster:
Manche Menschen ziehen sich zurück, um in Stille zu verarbeiten.
Andere suchen Aktivität, um den Schmerz in Bewegung zu verwandeln.
Wieder andere teilen offen, was sie erlebt haben, um Verbindung zu spüren.
Alle diese Wege sind gleichwertige Formen von Trauer.
Frauen trauern häufig nach innen
Viele Frauen erleben Trauer sehr emotional und suchen Nähe zu Menschen, die Ähnliches erlebt haben.
Sie möchten verstanden werden – ohne Erklärungen, ohne Rechtfertigungen.
Auch ich habe das so erlebt:
Nach unserem Verlust wollte ich allein sein. Ich habe mich von fast allen Menschen zurückgezogen und den Austausch mit anderen Sternenmamas gesucht – dort, wo ich mich wirklich verstanden gefühlt habe.
Diese Rückzugsbewegung ist oft ein natürlicher Schutz. Frauen richten den Blick nach innen, um zu fühlen, zu verstehen und allmählich Heilung zu finden.
Männer trauern häufig nach außen
Viele Männer gehen anders mit Verlust um. Sie lenken sich ab, stürzen sich in die Arbeit oder suchen praktische Aufgaben. Nicht, weil sie weniger trauern – sondern weil sie anders trauern.
Handeln hilft ihnen, das Gefühl von Kontrolle zurückzugewinnen.
Mein Mann zum Beispiel hat unseren Verlust sehr offen geteilt. Er hat mit vielen Menschen darüber gesprochen, während ich kaum Worte fand. Für ihn war dieses Sprechen eine Form, den Schmerz zu ordnen. Für mich war Schweigen der Weg, ihn auszuhalten.
Unterschiedliche Trauer ist normal – aber sie kann herausfordernd sein
In meiner Arbeit mit Frauen und Paaren erlebe ich immer wieder, dass Männer und Frauen nach einem Verlust sehr unterschiedlich trauern. Das ist nichts Ungewöhnliches – aber es kann Paare an ihre Grenzen bringen.
Oft höre ich Sätze wie:
„Mein Mann will einfach nach vorne schauen – ich habe das Gefühl, ihm geht’s schon wieder gut.“
„Ich halte es kaum aus, dass sie so traurig ist. Ich will sie nur wieder lächeln sehen.“
Beide Perspektiven sind verständlich – und beide entstehen aus Liebe.
Während einer von beiden noch mitten im Schmerz steckt, sucht der andere vielleicht Halt im Alltag. Diese zeitlich versetzte Trauer kann zu Spannungen führen, wenn sie nicht besprochen wird.
Unterschiedliche Trauer bedeutet nicht: unterschiedliche Liebe
Wenn ein Paar unterschiedlich trauert, bedeutet das nicht, dass der eine „weiter“ oder der andere „stärker“ ist.
Trauer hat kein Tempo und kein Maß.
Wichtig ist, dass beide Wege nebeneinander bestehen dürfen – mit Respekt und Mitgefühl füreinander.
Wie Paare in der Trauer miteinander in Verbindung bleiben können
Sprecht über Bedürfnisse statt über Verhalten.
Statt „Du redest nie darüber“ lieber fragen:
„Wie geht es dir, wenn du an unser Kind denkst?“
„Was wünschst du dir von mir in dieser Zeit?“Erlaubt euch unterschiedliche Wege.
Du darfst weinen, er darf arbeiten. Beides ist okay. Entscheidend ist, dass ihr euch nicht gegenseitig dafür bewertet.Findet gemeinsame Rituale.
Eine Kerze anzünden, einen Brief schreiben, gemeinsam einen Spaziergang machen oder einen besonderen Tag im Jahr bewusst gestalten – solche Rituale schaffen Verbindung, auch ohne viele Worte.Bleibt im Gespräch, auch wenn es schwerfällt.
Manchmal reicht es zu sagen: „Ich habe gerade keine Worte, aber ich bin da.“
Offene Kommunikation bedeutet nicht, alles immer aussprechen zu müssen – sondern den anderen spüren zu lassen, dass man ihn wahrnimmt.Sucht Austausch außerhalb der Partnerschaft.
Gespräche mit anderen Betroffenen, Trauergruppen oder professioneller Begleitung entlasten – so muss nicht alles innerhalb der Beziehung getragen werden.
Wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr gerade schwer zueinander findet oder euch besser verstehen lernen möchtet, kann eine Paarberatung nach Schwangerschaftsverlust sehr hilfreich sein. Dort entsteht Raum, beide Perspektiven sichtbar zu machen, neue Wege der Kommunikation zu finden und wieder gemeinsam Halt zu spüren.
Männer und Frauen trauern oft unterschiedlich – und doch teilen sie denselben Schmerz.
Diese Unterschiede sind kein Zeichen von Distanz, sondern Ausdruck verschiedener Wege, mit Verlust umzugehen.
Wenn Paare lernen, sich in ihrer Unterschiedlichkeit zu verstehen und miteinander im Gespräch zu bleiben, kann daraus mit der Zeit etwas Neues entstehen: gegenseitiges Mitgefühl, Verbundenheit und gemeinsame Heilung.